Die Zeit ist reif…

Abwechslung für meinen Geist: nach dem analytischen Challenge meines CAS Data-Driven Organization habe ich mir «Zeit» gegönnt. Zeit bewusst wahrnehmen, investieren, aktiv gestalten. Und bei einer Vielleserin wie mir – mit einem grossen Interesse an den Gedanken von klugen Leuten – gehörte ausgiebige Lektüre dazu. Seit meinem letzten Blogbeitrag ist einige Zeit verstrichen. Ganz nach dem Motto «Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht» musste dieser Post reifen.

Inspiration für das Thema war eine Aussage in einem Interview, die ich mir notiert hatte und die sich bereits seit einigen Jahren in meiner Sammlung von spannenden Gedanken befindet. Es ging um ein Paar, das ein paar alte Gebäude in ein B&B umgebaut hat und sich damit eine neue Einkommensgrundlage schaffen wollte. Auf die Frage, ob dies ihr Lebenstraum sei, sagten sie:

Es ist der Traum eines Jahrzehnts. So lange braucht es, um eine Idee keimen zu lassen, sie dann umzusetzen und dafür zu sorgen, dass sie auch funktioniert. Danach kehrt eine gewisse Routine ein und es ist an der Zeit, von etwas Neuem zu träumen.

In einer gefühlt immer schneller werdenden Welt, wo instant reward das neue Normal von Erwartungen zu sein scheint, eine geradezu provozierende Aussage. Laut einem Artikel aus Psychologie Heute ist die Zeitarmut auf einem Allzeithoch. Schon das Wort «Zeitarmut» erzeugt bei mir Gänsehaut. Zeit ist doch der Inbegriff von Gleichheit: eine Minute hat für jeden und jede 60 Sekunden. Unterschiedsloser geht gar nicht. Ausserdem steigt die Lebenserwartung. Ein bisschen warten auf die Erfüllung von Träumen sollte daher doch nicht so schwer sein.

Unter diesem Aspekt habe ich über meine eigenen realisierten Träume nachgedacht. Dabei habe ich festgestellt, dass es bei einigen wegweisenden Entscheiden und Erfahrungen in meinem Leben – ein Studium an der Fachhochschule machen, durch Afrika reisen, einmal im Ausland leben und arbeiten – tatsächlich einige Jahre dauerte vom Aufkeimen des Wunsches bis zur Realisierung. Bei anderen – nicht minder prägenden Ereignissen – sich verlieben, den Wohnort wechseln, eine neue Arbeitsstelle annehmen – hingegen ging es ruckzuck.

Somit ist klar: das Thema Zeit ist enorm vielschichtig. Genau das gefällt mir.

In einigen Bereichen des Lebens macht mir Geschwindigkeit Freude. Wenn viele spannende Gedanken auf mich einprasseln und spürbar ist, wie die Synapsen im Hirn greifen – energetisierend.

Vorfreude geniessen und auf ein grösseres Vorhaben hinfiebern – träumen, Informationen sammeln, mögliche Vorgehensweisen gedanklich durchspielen, Ängste aushalten (schaffe ich das?) – und es zu gegebener Zeit durchziehen: das verschafft Hochgefühle.

Kurze Weisheiten zum Thema Zeit

Ich habe mich umgesehen und eine Sammlung derer angelegt, die mir gefallen und mich in meinem Umgang mit der Zeit, mit Entscheidungen und bei Geduld & Ungeduld unterstützen:

«Die Natur hat keine Eile, dennoch gelangt sie stets ans Ziel.» Laotse

Gerade im Winter – wenn ich wegen Kälte und Dunkelheit eher zum Rückzug in die warme Stube neige oder zu schnellerem Schritt, wenn ich draussen bin – macht mir diese Weisheit Mut. Aus dem Rückzug sammelt die Natur Energie, die in den ersten warmen Frühlingstagen geradezu explosionsartig hervorbricht. Deshalb darf auch ich mir etwas Slow Motion gönnen, ohne mich auszuschimpfen und mit «du solltest…» anzutreiben. Manchmal scheint wochenlang offensichtlich nichts zu passieren. Aber im Hintergrund ist unser Gehirn immer aktiv und diese Phasen sind wichtig für unsere Entwicklung.

«Alles hat seine bestimmte Zeit: es muss werden, wachsen, vergehen.» Seneca

Diese Aussage passt gut zu dem Traum des Jahrzehnts wie oben beschrieben. In meinem Lebensverlauf finden sich diese Phasen in meinen Jahren in Taiwan:

  • Werden: das Neue entdecken, in die Sprache und den neuen Alltag eintauchen, auskundschaften, erste Freundschaften schliessen, zaghafte Schritte in Richtung des neuen Lebens unternehmen
  • Wachsen: im veränderten Leben ankommen, das Verständnis für die Menschen und die Kultur vertiefen, eigene Routinen entwickeln und in der Fremde sesshaft werden
  • Vergehen: spüren, dass die Phase sich dem Ende nähert, Abschied nehmen, das Erlebte würdig abschliessen und als einen Teil der eigenen Erfahrungen und dem Entwickeln in der eigenen Persönlichkeit & Lebensgeschichte verankern

«Nichts ist mehr wert als der heutige Tag.» Johann Wolfgang von Goethe

Mit Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt leben und präsent sein: Wie man seine Tage verbringt, so verbringt man sein Leben. Die Zeit basierend auf den eigenen Prioritäten gestalten. Als Beispiel habe ich meinen heutigen Tag mit dem Schreiben dieses Posts begonnen, in einem Café sitzend, die Sonnenstrahlen scheinen durch das Fenster. Ein Privileg, für das ich dankbar bin. Das Leben besteht aus einzelnen Momenten, diese geniessen zu können beschert Lebendigkeit.

«Das Leben geht mit Aufschieben dahin, und jeder von uns stirbt, ohne Musse gefunden zu haben.» Epikur

Damit mir dies nicht passiert, habe ich mir für meine Reflektion über das Thema Zeit und das ERLEBEN der letzten Monate ausgiebig Zeit gelassen. Ich habe die Zeit damit verbracht, «lange» Gedanken zu denken. Ich habe versucht die Zeit nicht mit immer mehr Aktivitäten zu fragmentieren, sondern ausführlich und geduldig zu leben. Ich habe mich dazu entschieden, mich in gewissen Lebensbereichen für eine Weile nicht hetzen zu lassen – auch nicht von LinkedIn, das mir immer wieder mitteilte, dass ich meinen Followern schon lange keine Neuigkeiten mehr habe zukommen lassen…

«Dass es nie wiederkehrt, macht das Leben so süss.» Emily Dickinson

In diesem Sinne, geniesst Eure Zeit. Ich lasse mit weiteren Erkenntnissen aus meiner Lektüre von mir hören. Und diesmal wird es nicht so lange dauern bis zur Fortsetzung. Das Thema ist bestens gereift für die Publikation.

Wenn Ihr selber in die Zeit eintauchen wollt, hier ein paar der Bücher, die ich gelesen habe:

  • Oliver Burkeman – 4000 Wochen
  • Paul Loomans – Ich habe Zeit
  • Karlheinz & Jonas Geissler – Time is honey
  • Thomas Hohensee – Ganz einfach Zeit haben
  • Alex Soojung – Kim Pang – Pause
  • Christine Stenger – Lassen Sie Ihre Zeit nicht unbeaufsichtigt

Als kleiner Vorgeschmack, in den nächsten Posts geht es um:

  • Unterschiedliches Zeitempfinden
  • Zeit & Produktivität
  • Zeitnot & -reichtum
  • Pausen, Langeweile & Geduld

Wie sehen Eure Entdeckungen, Erkenntnisse und der Umgang mit Zeit aus? Ich freue mich über Feedback und Kommentare. Es darf auch gerne eine Empfehlung für weitere spannende Themen sein.

Eure Gaby
#Inspire&Design